Heldenreise 6/7: Die entscheidende Prüfung
Blogserie Heldenreise Phase 6 / 7
Mit dieser Blogserie möchte ich dir eine etwas andere Möglichkeit aufzeigen, wie du deine Ziele erreichen kannst. Du lernst dabei von den Heldinnen und Helden aus Film und Literatur. Hier geht’s zur Einführung.
Der grösste Teil der Heldenreise ist vorbei, viele Bewährungsproben sind bestanden und Kämpfe gewonnen. Der Held oder die Heldin steht vor der letzten Herausforderung. Nicht immer muss ein sichtbarer überdimensionierter Endgegner überwunden werden, so wie in den meisten Comics und Computerspielen. Frodo müsste am Ende einfach nur den Ring ins Feuer des Schicksalsberges werfen. Doch er kann es nicht mehr, er ist dem Ring verfallen und will ihn behalten. Er befindet sich mit sich selbst im Konflikt. Momos letzte Prüfung besteht darin, innerhalb einer Stunde den Lagerraum zum Vorrat der Stundenblumen zu schliessen, dann werden sich die grauen Herren mangels Zugang zur Zeit von selbst auflösen. Lediglich Harry Potter steht am Ende seines ersten Abenteuers Lord Voldemort von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
Die entscheidende Prüfung
Der Unterschied zwischen der Phase 5 „Bewährungsproben, Verbündete und Feinde“ und dieser Phase liegt darin, nun die alles entscheidende Herausforderung zu bestehen. Hier und jetzt zeigt sich, ob du dein Ziel erreichst oder nicht. In der vorherigen Phase gab es viele Möglichkeiten zu improvisieren, auch einmal den Zufall walten zu lassen, zusätzliche Verbündete auf den Plan zu rufen und sie mitkämpfen zu lassen. In dieser Phase 6 bist du auf dich gestellt. Diese entscheidende letzte Herausforderung muss nicht zwingend die schwierigste sein. Aber du musst sie ganz alleine meistern, ohne Mentor und Verbündete.
Diesen Werdegang kennst du bestimmt aus eigener Erfahrung: Du bist gut und mit voller Motivation gestartet, hast fast mit Leichtigkeit die ersten Hürden genommen, was dich zusätzlich motiviert hat. Dein Umfeld hat deine Anstrengungen begleitet, applaudierte dir zu den ersten Zwischenerfolgen und feuerte dich weiter an. Jetzt steht nur noch ein einziges Hindernis zwischen dir und deinem Ziel. Es ist nichts Unbekanntes, du hast auf deiner Reise schon mehrere Male eine solche Hürde übersprungen. Nur jetzt beginnst du auf einmal zu zögern, das verunsichert dich, du beginnst zu zweifeln, all die vorherigen positiven Erfahrungen sind wie ausgelöscht, du glaubst zu scheitern.
Der Schatten
Das letzte Hindernis zwischen dir und deinem Ziel bist du selbst. Objektiv betrachtet sind es vielleicht Menschen, wie dein Chef, der dich nicht fördert oder dein Partner, der dies oder jenes verhindert. Vielleicht ist es deine aktuelle Lebenssituation, zu wenig Zeit oder Geld. Wenn du deinem letzten Hindernis wirklich auf den Grund gehst, wirst du erkennen, dass du mehr mit diesem Hindernis zu tun hast, als du dir vorstellen kannst.
Oftmals ist es nämlich die unbewusste Angst vor dem Ankommen. Was kommt danach? Wird es so sein wie erhofft oder werde ich enttäuscht sein? Werden mich immer noch alle mögen? Wer bin ich, wenn ich das Ziel erreicht habe? Diese Fragen verwandeln sich nur zu leicht und wie von selbst in ein Hindernis in Form einer Person oder einer Situation. Mit dem Erreichen eines Ziels ist es fast wie mit dem Tod: Es ist ein Ende und wir wissen nicht, wie es danach sein wird. Das kann zu Existenzangst führen, auch wenn wir mit einem Ziel etwas Positives erreichen wollen.
Je nachdem, welche Erfahrungen wir im Leben schon gemacht haben und welche Lebensstrategie wir gewählt haben, reagieren wir unterschiedlich, wenn wir vor dem letzten Hindernis stehen. Der Psychologe C. G. Jung verwendete für diese unbewussten Persönlichkeitsanteile, die uns im Leben immer wieder zum Scheitern bringen, den Schatten. In der Phase 2 hat er sich in Form des inneren Kritikers schon einmal gemeldet. Da du nun auf deiner Reise so weit gekommen bist, will er dich noch einmal konfrontieren. Deine entscheidende Herausforderung vor dem Ziel ist, dich deinem eigenen Schatten zu stellen.
Schattenboxen?
Es geht in der Schattenarbeit nicht darum, den Schatten zu bezwingen. Jeder Gegenstand wirft je nach Lichteinfluss einen Schatten. Diesen abzutrennen ist unmöglich (ausser bei Peter Pan, aber das ist eine andere Geschichte). Du musst daher auch keine Zeit und Energie darauf verschwenden, gegen deinen Schatten anzukämpfen und ihn besiegen zu wollen.
Viel wichtiger ist es, den Schatten überhaupt als solchen zu erkennen und seinen Einfluss auf deine Heldenreise zu verringern oder aufzuheben. Das erreichst du, indem du diesen Teil deiner Persönlichkeit integrierst und dich mit ihm versöhnst. Damit verbindest du Gegensätzliches zu einer Einheit. Was fremd erscheint, wird zu einem Ganzen. Du darfst dich annehmen, wie du bist. Dein Schatten gehört zu dir und du kannst seinen Einfluss auf dein Leben regulieren.
Deine Heldenreise
Im Rahmen dieser Blogserie ist es natürlich nicht möglich, dir eine ausführliche Anleitung zur „Schattenarbeit“ zu geben. Dazu braucht es je nach Thema eine individuelle Begleitung durch eine Fachperson. Was du aber tun kannst, vor allem wenn du schon mehrfach immer am selben Punkt gescheitert bist, ist deinem Schatten wenigstens ein bisschen auf die Spur zu kommen und ihn zu identifizieren.
Dazu kannst du genauso vorgehen, wie es die Kinder tun: Du fragst nach dem Warum, bis du zum Kern vorgestossen bist und es keine weitere Warum-Frage mehr braucht. Dem Toyota-Gründer Toyoda Sakichi wird die 5‑Why-Methode zugeschrieben. Hier ein kleines weniger technisches Beispiel:
Problem: Frau Meier kann keinen Kuchen backen.
- Warum kann Frau Meier keinen Kuchen backen? Weil sie vergessen hat, Eier zu kaufen.
- Warum hat sie vergessen Eier zu kaufen? Weil sie im Laden abgelenkt war.
- Warum war sie im Laden abgelenkt? Weil sie sich Sorgen macht.
- Warum macht sie sich Sorgen? Weil ihr Fritz eine SMS geschickt hat.
- Warum hat ihr Fritz eine SMS geschickt? Weil er sich das Bein gebrochen hat und im Spital liegt.
So kannst du vorgehen:
- Beschreibe dein Hindernis oder dein Problem, z. B. „Ich scheitere oftmals kurz vor dem Ziel“ oder „An der Person xy komme ich einfach nicht vorbei“ oder „Wenn ich mehr Zeit hätte, wäre alles einfacher.“
- Stelle dir danach mindestens 5x die Warum-Frage und suche damit immer weiter nach Ursachen für dein Hindernis oder Problem. Du kannst natürlich auch mehr als 5x die Warum-Frage stellen, wenn es nötig ist ;-).
- Wenn du zum Kern des Hindernisses vorgedrungen bist, ist ein Aha-Erlebnis nicht auszuschliessen!
Falls du bei dieser Übung Schwierigkeiten hast, kannst du dich gerne bei mir per E‑Mail melden.
Tanjas Heldenreise
Auf meiner persönlichen Heldenreise bin ich an sich gut unterwegs und habe 36’968 Wörter von 50’000 Wörter (ca. 200 Taschenbuchseiten) meines Romans geschrieben. Rein schreibtechnisch ist es für mich kein Problem, jeden Tag die 1’667 Wörter zu schreiben.
Doch ich habe Schwierigkeiten damit, nicht perfekt zu sein. Ich hatte die Vorstellung, dass der Roman wie aus einem Guss kommt (die Geschichte ist in meinem Kopf ja vorhanden). Nun merke ich, dass der Plot hie und da noch Lücken hat oder ich das eine oder andere noch recherchieren muss. Das führt mich schon jetzt gedanklich zu meiner entscheidenden Prüfung: Werde ich je sagen können: Jetzt ist gut? Oder werde ich immer weiter daran herumbasteln und deshalb den Roman nie veröffentlichen? Ich erahne da schon meinen Schatten… Im Moment behelfe ich mir damit, den inneren Kritiker zwar zu anerkennen, ihm aber möglichst wenig Sprechzeit einzuräumen.
Die Heldenreise geht nun in die letzte Runde. Im nächsten Blog geht es in der Phase 7 um die Frage: Wie geht es weiter, wenn es vorbei ist?
Die Heldenreise im Überblick
Einführung
Phase 1: Deine gewohnte Welt und der Ruf des Abenteuers
Phase 2: Die Weigerung: Ich werde das nie schaffen!
Phase 3: Wer sind deine Mentoren und Verbündeten?
Phase 4: Das Überschreiten der Schwelle: Jetzt geht’s los!
Phase 5: Bewährungsproben, Verbündete und Feinde
Phase 6: Die entscheidende Prüfung
Phase 7: Geschafft! Und was jetzt?
Wenn du die Heldenreise mit deinem persönlichen Thema und allen 10 Phasen in meinem Coaching durchführen möchtest, findest du hier weitere Informationen: Deine Heldenreise
Wer schreibt da?
Mein Name ist Tanja Bischofberger. Über das Sein zu schreiben ist im Grunde ein Widerspruch. Was ohne Grenzen ist, schränke ich durch Begriffe nur ein. Dennoch liebe ich es, über Sein-Erfahrungen zu berichten. Dadurch öffnet sich vielleicht hie und da eine Tür bei einem Menschen, sich ebenfalls auf diesen wunderbaren Weg zu machen bzw. anzukommen. Vielleicht auch du?